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wirtschaftsminister1.html 17.05.2008

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                                         Wirtschaftsminister, 12.02.2006


Sehr geehrter Herr Minister,

    aufgrund von Erfahrungen, die ich vor 30 Jahren gemacht und kürzlich aufgefrischt habe, möchte ich folgende Anregungen zum Umbau des Patentwesens geben, die mittelfristig zu einer Belebung der deutschen Wirtschaft führen können.
    Die geistig-kulturelle und wirtschaftliche Blüte, die wir “Renaissance” nennen, beruhte nicht zuletzt darauf, daß Erfinder - darunter berühmte Leute wie Leonardo da Vinci, aber eben auch viele, viele andere - revolutionärer Ideen wegen nicht mehr verbrannt und auch nicht an den Pranger gestellt oder, wie heutzutage, erstickend-bürokratischen Maßnahmen unterworfen, sondern vielmehr mäzenatisch gefördert wurden.
    Täten wir dasselbe, bekämen wir eine neue Renaissance.
    Zurzeit ist es so, daß Patentämter sowie die einschlägigen Gesetze trotz überwiegend freundlich-entgegenkommenden Personals Überbleibsel des Obrigkeitsstaates des 19. Jahrhunderts sind. Der Erfinder ist ein lästiger Störenfried. Man legt ihm jede Menge Schwierigkeiten in den Weg. Er hat für die Entwicklung seiner Idee und die Patentanmeldung unentgeltlich jede Menge Arbeit zu leisten und muß auch die Kosten der Anmeldung tragen. Kommt er nicht allein zurecht, muß er noch einen Patentanwalt bezahlen. Dabei wird von der zumeist illusorischen Vorstellung ausgegangen, es handele sich um einen Produzenten oder Fabrikanten, der sich vom Staat ein zeitlich begrenztes Monopolrecht für die Verwertung seiner Idee erkauft.
    Erfinder sind jedoch sehr oft keine Unternehmer. Das läßt sich daran ablesen, daß in Deutschland allgemein der Umstand beklagt wird, daß zwischen Idee und verkaufsfähigem Produkt eine oft unüberwindliche Schwelle liegt. Und bei schließlich doch realisierten Produkten ist die zwischen Idee und Realisierung verstrichene Frist unverhältnismäßig lang. Andere Länder - unsere Konkurrenten - sind zumteil erheblich besser in der praktischen Auswertung von Erfindungen.
    Wollen wir das ändern, müssen wir umdenken.
    Würde die Patentbehörde - ich spreche ausdrücklich nicht von “Patentamt” - die Ideen deutscher Erfinder als das betrachten, was sie sind - Früchte, die es zu ernten, weiterzuverarbeiten und vor Verderb zu schützen gilt, wäre der Erfinder kein Bittsteller, der dafür bluten muß, etwas erfunden zu haben, sondern die Solidargemeinschaft der deutschen Bürger - repräsentiert durch ein Patent-Servicecenter - würde ihm helfend unter die Arme greifen. Statt den Erfinder allein zu lassen und zu schurigeln, sollten wir ihm eine helfende Hand reichen. Statt daß er bluten muß, wird ihm hofiert. Er und seine Ideen sollten nicht nur willkommen sein, vielmehr sollten wir ihn umwerben, damit er seine Ideen zum Wohle der Allgemeinheit verrät. Diese Ideen sollten auch nicht nur nach formalen Gesichtspunkten geprüft und daraufhin untersucht werden, ob sie sich an bereits vorhandenen Patenten stoßen, sondern vor allem auf ihre praktische Verwertbarkeit hin. Auch eine nicht patentfähige Erfindung läßt sich vielleicht zum Wohle der deutschen Wirtschaft praktisch umsetzen, und d.h. - richtige Gesetze vorausgesetzt - zu unser aller Wohl nutzen. Und gelänge das, würde der Erfinder nicht nur finanziell belohnt, sondern gerühmt, wie bis heute Leonardo gerühmt wird, was bei uns jedoch nur erfolgreichen Sportlern zuteil wird.
Doch sind Körperkraft und körperliches Geschick wirklich wichtiger als Erfindergeist!? Die Römer herrschten mit “panem et circensis”, heute - bei eingestandenen 5 Millionen Arbeitslosen - verlagert sich das Gewicht mehr und mehr auf die “Spiele”. Doch die Goldmedaille eines Olympioniken holt nicht  e i n e n  Arbeitslosen von der Straße, eine realisierte Erfindung hingegen schon. Und wo die Banken bei der Finanzierung mittelständischer Investitionen versagen, wie im SPIEGEL Nr. 4/2006 unter der Überschrift “Innovationen: Warum Deutschland als Forschungs- und Entwicklungsstandort beständig an Boden verliert” beschrieben, sollte der Staat an ihre Stelle treten, wie bereits in der Zeit der Renaissance erfolgreich praktiziert.
    Es geht also darum, dem Erfinder nicht nur keine Steine mehr in den Weg zu legen, sondern ihn helfend an die Hand zu nehmen, damit seine Ideen für uns alle Frucht tragen können. Die Kosten der Prüfungen und Beratungen werden vom Steuerzahler getragen. Sie werden dort wieder hereingeholt, wo die Strategie Erfolg hat und Mehrwert entsteht.
    Natürlich wird das Umdenken schwer sein. Jeder wird sagen (oder denken): Wie soll das funktionieren? Und wahrscheinlich sind auch tatsächlich die meisten der heute mit Patentfragen befaßten Personen - Anwälte, Beamte, Rechercheure und vermutlich sogar der Gesetzgeber - nicht in der Lage, dieses Umdenken zu vollziehen. Man wird auf neue Leute setzen müssen. Aber umgedacht - und umorganisiert - sollte werden! Dann würde auch endlich der Exodus aufhören, der Deutschlands schrumpfende geistige Ressourcen weiter ausbluten läßt. Erfinder, Techniker und Wissenschaftler würden nicht mehr anderswo in der Welt nach günstigeren Arbeitsbedingungen suchen. Ja, der Trend würde sich vielleicht sogar umkehren. Erfinder aus aller Welt würden nach Deutschland kommen, um hier ihre Erfindungen anzubringen.
    Zwar wird auch viel Unsinn darunter sein, und die Arbeit, die Spreu vom Weizen zu trennen, würde zunächst viel Geld kosten. Und es dürften auch nicht nur an der Sache selbst wenig interessierte Beamte mit dieser Aufgabe betraut werden, sondern die Allgemeinheit sollte daran beteiligt werden. Es könnten z.B. Ausschreibungen stattfinden. In Seminaren und Arbeitsgruppen könnten Patent- und Produktentwicklung vorangetrieben werden. Die Patent-Servicecenter könnten sich auch aktiv an der Suche nach Unternehmern beteiligen, denen die Realisierung eines Patents zuzutrauen ist usw. Alles sollte so organisiert werden, daß Deutschland mittel- bis langfristig die aktuelle Krise überwindet und endlich mal wieder die Nase vorn hat. Denn auf lange Sicht erfolgreich wirtschaften heißt: Ideen und Produktivkraft so zu koordinieren, daß verkaufsfähige Produkte entstehen.

Mit freundlichen Grüßen


(Helmar Kloss, Dipl.-Soz., EDV-Kaufmann, Programmierer und Organisator, Geschäftsführer, (Klein-)Verleger, Autor, Erfinder ...)        

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