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Inform Verlag

Orest - Tragödie in vier Akten von Helmar Kloss

2. Akt
4. Szene (Orest allein).

Orest (wirft sich erschöpft in den Thronsessel, massiert seinen Kopf):
Ist dies ein Alp? - Sah ich
Mit eig’nen Augen einen Mord mit an?
Hat diese Frau, die sich Elektra nennt
Und vorgibt, mir verwandt zu sein,
Soeben den Ägisth gemetzelt? -
Oder träume ich und bin in Wirklichkeit im Bett,
Daheim, im altvertrauten Krisa,
Und Pylades wird gleich erscheinen,
Um mich zum Morgenmahl zu laden?
(Steht unruhig auf und geht hinüber zu dem Tisch, so daß er den in der Blutlache schwimmenden Teppich sehen kann).
Oh, nein! Die Hoffnung trügt!
Die Lache ist Beweis genug,
Daß das, was ich soeben sah, auch so geschah!
Und wenn ich noch so sehr mir wünsche, es möge ungeschehen sein.
(Geht bebend und zaudernd zum Thronsessel zurück; läßt sich schwer darauf niedersinken; grübelt lange).
Doch was das Allerschlimmste ist: -
Vor meinem inn’ren Auge steht ein Bild,
So klar und deutlich! -
Und gleicht - und gleicht auch wieder nicht -
Dem Anblick, der sich eben bot!
(Grübelt).
Ein Bild, das treu - und kaum verändert -
Die ganze Zeit mein Hirn bewahrte.
Doch blieb stets unklar, was es war!
(Steht auf und verschwindet für einen Moment dorthin von der Bühne, wohin er kurz zuvor, zusammen mit Elektra, den Leichnam Ägisths hinausgetragen hat).
Das hier geseh’ne Bild ist’s nicht:
Ägisth, in seinem Blute badend,
Das Auge stier ins Nichts gerichtet,
Der Mund, von Todesangst verzerrt,
Zum allerletzten Schrei geöffnet,
Der gänzlich unerhört verhallte
Und mit ihm starb. -
Doch ist es ähnlich: Ein Leichnam, -
Blutbesudelt in der Wanne!
(Geht zum Tisch; betrachtet versonnen das blutverschmierte Schwert).
Auf jeden Fall, wie er da liegt,
Entrückt und aller Sorgen ledig,
Beneid’ ich ihn von ganzem Herzen,
Wenn ich an meine Lage denke!
Das Waisenkind, zunächst beglückt,
Nach schwer durchlitt’ner, langer
Irrfahrt ins Elternhaus zurückzufinden,
Entdeckt sogleich den bösen Fluch,
Der schwer und grausam darauf lastet!
Doch ihn zu bannen, fühlt es sich zu schwach!
Denn Stärke kommt nur aus dem Rückhalt,
Den uns die Kraft der Liebe gibt,
Und feige schleicht sich der im Grund’ Verschmähte.
(Greift nach dem Schwert).
Ich würde daher gerne flieh’n, -
Jedoch wohin, ist mir nicht klar.
Denn jeder Ort, an den ich denken kann,
Erscheint mir nun als kalte Fremde.
(Legt das Schwert wieder hin).
Auch Krisa kann mir nicht mehr Heimat sein.
(Geht langsam zum Thronsessel zurück; setzt sich; grübelnd vornübergebeugt):
Was dieses Bild betrifft, das mich so quält,
So glaub' ich nun, da ich es gründlich überdenke,
Daß es mein Vater war, der damals tot in seinem Blute schwamm, -
Und ich muß es gesehen haben.
(Richtet sich auf).
Nur, wenn er’s war, wie hab’ ich  d a s  vergessen können!?
(Lehnt sich entspannt zurück).
Nun ja, mein Freund, du warst ein Kind,
Ein Knabe nur, von wenig Jahren,
Und Kinder, lehrt man uns, vergessen alles.

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