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tagesschau.html 30.05.2010

Inform Verlag GmbH

ARD Tagesschau, 30.05.2010

                                                             

Sehr geehrte Damen und Herren,
    … gestern sagte der Sprecher – verfaßt haben das sicher andere, und an die wende ich mich hiermit: “… bis jetzt war von 40 Opfern die Rede gewesen.” Nun sind es leider 50 geworden. Traurig.
    Aber ich gebe zu, daß ich vergessen habe, wo das traurige Ereignis stattfand, weil mich die grammatikalische Katastrophe in diesem Halbsatz von der wirklichen abgelenkt hat. Die Verbform “war … gewesen” ist erstens häßlich, zweitens eine dem Plusquamperfekt des Latein nachgebildete Konstruktion. Was bedeutet “Plusquamperfekt”? Es bedeutet mehr als (vollendete/perfekte) Vergangenheit. Sie wird richtig verwendet, wenn der Erzähler eine vollendet vergangene Zeitebene zum Ausgangspunkt wählt und auf die von dort aus gesehene Vergangenheit verweist. Eine überaus selten sinnvolle Form. Durch die Formulierung “bis jetzt” wird aber klar, daß es sich um gerade eben erst Vergangenes handelt, das zumindest in seinen Auswirkungen in die Gegenwart hineinreicht. Da ist nicht einmal Perfekt (vollendete Vergangenheit) angebracht (sind … gewesen), sondern Imperfekt (z.B. ‘es gab … Opfer’). Plusquamperfekt ist da nun wirklich nicht angebracht. Wenn man das “gewesen” wegläßt, sagt der Satz genau dasselbe, aber richtig. Allenfalls “ist … gewesen” wäre vertretbar.
    Verschont doch bitte die Zuschauer mit derartigen Fehlern, die darüberhinaus geschmacklos sind und mangelndes Sprachgefühl anzeigen. Warum müssen ausgerechnet solche “Sprachkenner” Redakteure werden?
Mit freundlichen Grüßen
Helmar Kloss

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